Die Methode 5S des Lean Managements bieten sich an, um Ordnung zu schaffen und dadurch die Wertschöpfung in Mittelstand, Industrie und KMU, zu steigern. Die Größe des Unternehmens ist dabei unerheblich.
Räum doch mal auf. Wie es hier schon wieder aussieht! Was nach einer verzweifelten Aufforderung Richtung Kinderzimmer klingt, ist die
Realität in vielen eCommerce Lagern. Als Beraterin und eCommerce Unternehmerin habe ich so manches Lager gesehen. Eines ist aus meiner Sicht immer gleich: Das Lager kommt bei der
Prozessoptimierung
, gerade in den ersten Jahren, zuletzt.
Wenn sich
Wachstum
einstellt, versucht jeder Unternehmer erst einmal, die Kundenwünsche zu bedienen, Umsatz zu generieren, pünktlich zu liefern. Die
Orientierung liegt verständlicherweise, auf Kundenseite und der Außenwirkung. Die KPIs (Key Performance Indicators) werden täglich unter die Lupe genommen und auf die letzte Nachkommastelle optimiert. Die Hardware stimmt, die Software stimmt, die Conversion Rate passt, Google und Facebook Ads sind optimiert, auf Amazon und Ebay sind die Werbeanzeigen und Produkte bis ins kleinste Detail perfektioniert. Doch im Inneren spitzt sich die Lage zu,
Produktivität ist an dieser Stelle oft Fehlanzeige.
Die Strukturen kommen dem Wachstum nicht nach.
Es geht an vielen Tagen drunter und drüber, von
Produktivität im Lager keine Spur. Die Nerven liegen blank, es wird mehr gesucht als gefunden, Fehler passieren und die Stimmung kippt. Mitarbeiter können sich, nach eigenen Aussagen „nicht auf die Kollegen im Lager verlassen“. Dem Lager wird der schwarze Peter zugeordnet. Wenn man die Situation jedoch einmal von Außen betrachtet, haben alle am Durcheinander mitgewirkt und niemand ist nun alleine in der Lage, eine komplette
Lagerstruktur aufzubauen
. Weder die Lagermitarbeiter, noch die Büromitarbeiter. So arbeitet man weiter chaotisch vor sich hin und nimmt Fehler und Schuldzuweisungen in Kauf. Aber wie konnte das Lager die letzten Jahre eigentlich so chaotisch werden? Was sind die Probleme der Kolleg*innen, die dort arbeiten?
Die häufigsten Probleme, Fehler und Fragen im Versand ohne 5S.
• Wo liegt das Produkt?
• Wo ist die Leiter, wo ist die Sackkarre, wo ist der Besen, wo steht der Hubwagen?
• Kartons hin und her tragen, da die benötigte Ware garantiert immer zugestellt ist
• Die Lagerorte kennen nur die langjährigen Mitarbeiter. Neue Kollegen finden nichts
• SCHNELLE Einarbeitung von Saisonkräften funktioniert nicht
• Keine sinnvolle Beschriftung in den Räumen, Gängen und an den Regalen
• Keine oder fehlerhafte Hinterlegung der Lagerorte in der Warenwirtschaft
• Gänge und Laufwege sind zugestellt mit Kartons
• Arbeitsplätze bzw. –flächen sind ebenfalls zugestellt
• Keine klaren Zuständigkeiten
• Improvisation und eigene Entscheidungen sind notwendig um ausliefern zu können
• Fehlende Kommunikation zu Anlieferungen und Abholungen zwischen Büro und Lager
Ein Tag im Lager sieht, bei
fehlenden Strukturen
somit in etwa so aus: Wenn man die Sackkarre in den Gängen endlich irgendwo gefunden hat, kommt man fünf Meter weit, bis die nächsten Kartons den Weg versperren. Am Arbeitsplatz angekommen, kann die Ware teilweise nicht einmal auf dem Arbeitstisch abgelegt werden, da dieser zwischenzeitlich vom Kollegen zugestellt wurde. Eine Kollegin aus dem Büro steht mit einem „total dringenden“ Auftrag vor einem und möchte genau jetzt eine Lösung. Der eigene Arbeitsablauf wird unterbrochen. Dann kommt ein LKW Fahrer mit einer Lieferung mehrerer Paletten, von denen das Lager nichts wusste. Platz zur Zwischenlagerung konnte somit nicht vorbereitet werden, alles steht durch
fehlende Informationsweitergabe
und nicht ganz so
optimale Kommunikationswege
erst einmal im Weg. Da heißt es Nerven bewahren!
Mein Lieblingsfehler ist jedoch, dass Kunden nicht beliefert werden können, da die Ware einfach nicht gefunden wird. Sie ist zwar vorhanden, aber niemand weiß wo! Bei Anlieferung wurde sie irgendwo weggeschummelt, damit sie zunächst aus dem Weg ist. „Machen wir später richtig, erstmal die ganzen Aufträge versenden.“ Dann wird die richtige Zuordnung vergessen und ganz viel später weiß dann niemand mehr, wo die Ware liegt.
Durch die größer werdende Unordnung passieren vermehrt Fehler und falsche Ware wird versendet. Der Kunde schimpft und droht mit schlechten Bewertungen auf Amazon & Co. Reklamationen und Kosten steigen. Dadurch steigt intern ebenfalls der Druck, die Nerven sind strapaziert, die Schuldzuweisungen starten. Das Lager schiebt es auf das Büro, das Büro auf die Kollegen im Lager. Es wird versucht zu klären wer den Fehler gemacht hat und nicht warum der Fehler passieren konnte und wie wir ihn abstellen. Von einer positiven
Unternehmenskultur und Miteinander fehlt jede Spur.
Die Stimmung wird mieser,
alles hängt an wenigen Leistungsträgern.
Lagermitarbeiter müssen Dinge entscheiden und improvisieren, womit viele völlig überfordert sind. Die Zeiten im Lager laufen aus dem Ruder und gefühlt wird 50% der Arbeitszeit irgendetwas gesucht. Die Lagermitarbeiter sind dauerhaft überlastet und im Büro fragt man sich, warum es denn so schwer sein kann, 100 Pakete am Tag zu versenden.
Stimmung und Produktivität sind am Boden. Ordnung muss her!
Ordnung
sollte, auf eine sinnvolle Art und Weise und in einer
logischen Reihenfolge
geschaffen werden. Damit die Ordnung am Ende auch geschätzt und beibehalten wird, sollten
alle mithelfen, so schaffen Sie
nachhaltige Lösungen.
Produktivitätssteigerung und Planbarkeit.
• Vorgehen soweit es geht vereinfachen und logisch aufbauen
• Überflüssige Arbeitsschritte entfernen
• Feste Prozesse schaffen
• Jeder muss im Lager alles finden können
• Klare Zuständigkeiten schaffen
• Schnittstellen- und Kommunikationsprobleme zwischen Lager und Büro lösen
• Rechnungen und Lieferscheine digitalisieren (pdf versenden). So liegt die Arbeit auf Büroseite
• Feste, kurze tägliche Kommunikation (5 Minuten Besprechung zu Arbeitsbeginn)
• Optimale Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Arbeits- und Lagerfläche
Ist-Analyse und Problemerkennung.
• Sammeln Sie zunächst alle Probleme und werten Sie diese aus
o Befragen Sie Ihre Mitarbeiter, direkt oder anonym
o Stellen Sie Mecker- und Ideenbriefkästen auf
o Gehen Sie mit einem Auftrag wortwörtlich mit und schauen Sie sich die Laufwege an
• Clustern Sie die Probleme (Probleme Lager, Probleme Büro, Probleme Schnittstellen…)
• Legen Sie die Top 3 Probleme aus jedem Cluster/ Kategorie fest
• Priorisieren Sie, was sie zuerst und zuletzt lösen wollen/ können
Nachdem Sie alle Probleme gesammelt und in Gruppen sortiert haben, haben Sie einen ersten guten
Überblick zu Ihrer Ist-Situation.
Nun heißt es
einen Weg zu finden, der Sie von den Problemen zum Ziel führt. Definieren Sie Ihre ganz eigenen Ziele und übernehmen sie die großen Brocken als Meilensteine. Dann überlegen sie sich Zwischenziele (Mini-Ziele) die sie erreichen müssen, um den Meilenstein in ca. drei Monaten auch wirklich zu erreichen. Grundsätzlich gilt, alles in kleine Happen zu zerteilen, so dass die Aufgaben und Ziele konkret und greifbar werden.
Meilensteine und Mini-Ziele definieren.
• Zeitstrahl aufzeichnen
• Meilensteine (große Ziele) im 12 Wochen Rhythmus definieren und einzeichnen
• Je 1 Mini-Ziel pro Woche definieren, um nach 12 Wochen den Meilenstein zu erreichen
Noch einmal konkret und in Zahlen: Um die Probleme zu lösen, dürfen Sie den
Überblick nicht verlieren,
das ist klar. Zusätzlich müssen Sie die
Probleme in kleinen Einheiten lösen,
so dass alle am Ball bleiben und den Fortschritt sehen. Ein gutes Format hierfür ist es, sich Meilensteine in 12 Wochen Abständen zu setzen. „Was wollen wir in 12 Wochen gelöst haben?“ Definieren Sie, nachdem Sie Ihre
Meilensteine
kennen, ein kleines
Mini-Ziele
für jede Woche, so dass Sie in 12 Wochen, 12 Mini-Ziele erreichen, die auf den großen Meilenstein einzahlen. So erreichen Sie diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit. Mit einem Mini-Ziele pro Woche bleibt zusätzlich die
Erfolgskurve
oben und die Mitarbeiter bleiben motiviert. Seien Sie
kreativ und visualisieren Sie das Ganze über einen ansprechenden Zeitstrahl. Stellen Sie alles an einem Ort zur Verfügung der für alle Mitarbeiter frei zugänglich ist.
Tipp:
Nutzen Sie den Besprechungsraum, in dem auch die tägliche
5 Minuten Besprechung zu Arbeitsbeginn
erfolgt (siehe oben). So sehen alle den
täglichen Fortschritt
und aktuelle Probleme können schnell und verbindlich gelöst werden. Nachdem Sie die Mini-Ziele miteinander entwickelt haben und der Weg zu den großen Meilensteinen für alle greifbar ist, geht es an die
praktische Umsetzung
.
Fleißarbeiten erledigt, im Sinne von 5S.
• Sortieren Sie aus und werfen Sie alles was im Lager nicht benötigt wird weg
• Benötigtes bekommt einen festen, gekennzeichneten Platz (Leitern, Hubwagen, Kartons…)
• Kennzeichnungen schaffen. Markieren Sie frei zu haltende Flächen zum Beispiel in rot
• Markieren Sie Palettenstellplätze, Flächen für Packcontainer/- rollwagen
• Kennzeichnen Sie Flächen für Retouren und bislang ungeprüften Wareneingang
• Kennzeichnen Sie Räume, Gänge und Regale
• Verkürzen Sie die Laufwege. Häufig genutzte Produkte gehören in Packplatznähe
• Arbeitsplätze werden einheitlich strukturiert. Fester Ort für Abroller, Klebeband, Kartons
• Nummerieren Sie alle Arbeitsplätze
• Für die Ordnung am Arbeitsplatz ist je ein fester Mitarbeiter zuständig
• Übertragen Sie alle Lagerorte in Ihre Warenwirtschaft
Wie Sie sicherlich schon erkannt haben geht es hier hauptsächlich, um das gemeinsame Aufräumen. Hier lässt sich die Methode
5S aus dem Lean Management perfekt anwenden. Egal ob Sie ein großes oder ein kleines Unternehmen sind. Ordnung schaffen ist eine wirklich nervige und anstrengende Fleißarbeit, ohne die es jedoch nicht geht. Arbeiten Sie sich vor, von grob zu fein. Gerade in der letzten Phase, in der alle Lagerorte in die Warenwirtschaft übertragen werden müssen, können Sie ggf. eine(n) Schüler*in in den Ferien zur Hilfe nehmen.
Wenn das Projekt beendet wurde und endlich Ordnung ist, heißt es diese auch beizubehalten. Um das sicherzustellen, haben sich in meiner Praxis die folgenden Tipps als sehr hilfreich erwiesen
Tipps zur nachhaltige Produktivitätssteigerung
Wenn das Hauptprojekt rum ist, kommt die fiese Zeit danach. Das gesamte Team hat sich wochenlang die Arbeit gemacht alles zu optimieren und zu vereinfachen. Das alles hat Zeit, Geld und Nerven gekostet und dann? Dann freuen wir uns wie toll alles geworden ist und ein paar Wochen später zieht der Schlendrian ein. Die ersten Dinge liegen rum, man tauscht sich nicht mehr jeden Morgen aus, an den Arbeitsplätzen liegen die ersten Gegenstände, Material wird doch nicht täglich aufgefüllt… Die Liste kann fast unendlich ergänzt werden.
Change Management hat auch eine Post-Phase. Nach dem eigentlichen Projekt muss weiter durchgezogen werden. So lange, bis das neue Vorgehen zur Routine wird. Wenn jetzt keine Ordnung gehalten wird, steigt der Frust. Besonders bei den Mitarbeitern die maßgeblich an dem Projekt beteiligt waren. Die Bereitschaft für weitere Veränderungen im Unternehmen sinkt. Um gegen zu wirken und das neue Vorgehen und die neuen Strukturen mit der Zeit zur Normalsituation werden zu lassen, empfehlen sich die folgenden Maßnahmen.
• Positionen und Aufgaben wechseln (In den Schuhen des anderen stecken)
• Konsequenzen im Team erarbeiten, so dass jeder seine Sachen in Ordnung bringt
• In den täglichen 5 Minuten Meeting das folgende Format verwenden:
o Aus Fehlern lernen. Was ist am Vortag schief gelaufen, wie stellen wir das ab?
o Best Practice: Wer etwas besonders gut kann, zeigt es den anderen
o Anlieferungen für die Woche mitteilen (Bessere Planbarkeit)
• Probleme ansprechen, nur so kann man als Team lernen
• Meckerkasten/ Wunschbox, bereits erwähnt und wirklich zu empfehlen!
Prozessoptimierungen
und die
Vereinfachung von Arbeitsabläufen
nehmen oftmals viel Zeit in Anspruch, bzw. ziehen sich über eine recht lange Phase. Grund ist, dass diese Projekte vielfach mit internen Kapazitäten und Mitarbeitern, nebenbei durchgeführt werden und die Unordnung schließlich auch über mehrere Jahre gewachsen ist. Aus meiner Sicht bietet es sich an, eine(n) externe(n) Projektleiter*in zu suchen, die/ der das Projekt vor Ort durchführt. Durch die Erfahrung des/ der Expere*in verkürzen sich viele Tätigkeiten und es wird nur noch ein Teil Ihres Teams benötigt.
Externer Unternehmensberatung an den Schlüsselstellen.
Nutzen Sie doch eine Kombination aus externem Berater*in plus das eigene Team. Der Blick von Außen bringt oftmals viele
neue Impulse,
die intern gar nicht mehr entstehen können, da wir in unserem Arbeitsalltag "gefangen" sind. Setzen Sie den
Blick und Ideen von Außen
an den Schlüsselstellen ein und führen Sie die Umsetzung mit Ihrem eigenen Team durch. Ggf. können Sie ihr Kernteam auch einen Tag zu Mini-Experten schulen lassen, so dass das Kernteam das neue Vorgehen an andere Abteilungen weiter gibt. Die Mitarbeiter helfen sich so Schritt-für-Schritt untereinander weiter, werden durch die gegenseitige Schulung immer sicherer in der Anwendung neuer Möglichkeiten und
agiler Methoden und haben gemeinsame Erfolgserlebnisse. Das fördert Selbstverantwortung, Motivation und die
Unternehmenskultur.
Fazit. Grundsätze für Projekterfolg.
1. Probleme und Ideen sortieren
2. Aufgaben in eine sinnvolle Reihenfolge bringen
3. Projektleiter bestimmen der den Fortschritt steuert
4. Mitarbeiter einbeziehen, so dass alle am Fortschritt mitarbeiten
Auch ich selbst habe in meinem Unternehmen eine
Hybridlösung bzw. Gemischtansatz gewählt. Ich habe das gesamte Projekt mit einem externen Berater und meinen Mitarbeitern geplant und durchgeführt. Bestimmte, abgeschlossene Teilaufgaben habe ich an den externen Berater übergeben, so dass wir als Team wieder Input für die nächsten Verbesserungsstufen hatten. Das eigene Team hat die Umsetzung vorangetrieben und durch die externen Impulse weitere
Verbesserungsideen für den eigenen Arbeitsalltag
entwickeln können. Das Ergebnis war eine wesentlich
kürzere Projektlaufzeit,
. Die Erfolge sind durch ein solches Vorgehen schnell zu verzeichnen und die
Produktivitätkann
zeitnah verbessert
werden.
Zur besseren Lesbarkeit ist in diesem Text die männliche Form gewählt. Natürlich sind alle Geschlechter (m/ w/ d) gleichermaßen angesprochen.
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